006a - Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer by Jules Verne
Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-16T04:00:00+00:00
Kapitän Nemo nimmt den Höhestand der Sonne auf.
»Mein Herr«, erwiderte er, »ich habe verschiedene Chronometer, die nach den Meridianen von Paris, Greenwich und Washington gestellt sind. Aber Ihnen zu Ehren will ich mich des Parisers bedienen.«
Aus dieser Antwort konnte ich nichts entnehmen. Ich machte eine Verbeugung, und der Kommandant fuhr fort:
»Siebenunddreißig Grad und fünfzehn Minuten westlicher Länge vom Pariser Meridian ab, und dreißig Grad, sieben Minuten nördlicher Breite, d. h. etwa dreihundert Meilen vom Gestade Japans. Heute haben wir den 8. November, da zu Mittag unsere unterseeische Forschungsreise beginnt.«
»Gott sei mit uns!« erwiderte ich.
»Und jetzt, Herr Professor«, fuhr der Kapitän fort, »lasse ich Sie bei Ihren Studien. Ich habe die Richtung Ost-Nord-Ost bei fünfzig Meter Tiefe angegeben. Hier sind Karten, womit Sie dieselbe begleiten können. Der Salon steht Ihnen zur Verfügung, und ich bitte um Erlaubnis, mich zurückzuziehen.«
Ich blieb nun allein in meine Gedanken vertieft. Sie waren alle beim Kommandanten des Nautilus. Sollte ich jemals erfahren, welcher Nation der seltsame Mann angehört, welcher keiner anzugehören sich rühmt? Wodurch ist sein Haß gegen die menschliche Gesellschaft, ein Haß, der vielleicht auf schreckliche Rache ausging, hervorgerufen worden? War es einer der verkannten Gelehrten, ein Genie, dem sein Leben verkümmert, ein moderner Galilei, oder einer der Männer der Wissenschaft, deren Laufbahn durch politische Revolutionen zertrümmert wurde? Ich konnte noch nichts darüber sagen. Mich, den das Schicksal an seinen Bord verschlug, dessen Leben er in der Hand hat, nahm er kalt, aber gastlich auf. Nur ergriff er nie die Hand, welche ich ihm reichte. Mir reichte er nie die seine.
Eine volle Stunde blieb ich in diese Gedanken versunken, indem ich das mir so interessante Geheimnis zu durchdringen suchte. Darauf hefteten sich meine Blicke auf die große über den Tisch gebreitete Karte, und ich bezeichnete mit dem Finger den Punkt, wo die beobachtete Länge und Breite sich kreuzten.
Das Meer hat, wie die Festlande, seine Flüsse. Es sind besondere Strömungen, die an ihrer Temperatur und Farbe kenntlich sind; der merkwürdigste ist unter dem Namen Golfstrom bekannt. Die Wissenschaft hat auf der Erdkugel die Richtung der fünf Hauptströme bestimmt: einer ist im Norden, ein zweiter im Süden des Atlantischen, ein dritter im Norden, ein vierter im Süden des Stillen Ozeans, ein fünfter im Süden des Indischen. Es ist sogar wahrscheinlich, daß ehemals noch ein sechster Strom im Norden des Indischen Ozeans existierte, zur Zeit als der Kaspische und der Ural-See, die nun zu den großen Seen Asiens gehören, nur eine einzige und dieselbe Wasserfläche bildeten.
An dem auf der Karte bezeichneten Punkt nun fließt einer jener Ströme, der Schwarze Fluß, von den Japanesen Kuro-Scivo genannt, welcher vom Bengalischen Golf her, wo die senkrechten Strahlen der tropischen Sonne ihn wärmen, durch die Enge von Malakka hindurch, längs der Küste Asiens fortläuft, dann im Norden des Stillen Ozeans in runder Krümmung bis zur Aleutengruppe hinzieht, Stämme von Kampferbäumen und andere indische Produkte mit sich fortwälzt und mit dem puren Indigo seiner warmen Gewässer von den Fluten des Ozeans absticht. Mit dieser Strömung war der Nautilus im Begriff zu fahren. Ich
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